Geierley ist zweierley – da soll noch jemand durchblicken?

Von Steuerberater Peter Diederich

 

Steuerchaos nun auch bei Kommunen – bedingt durch Gesetzesänderungen, widersprüchliche Gerichtsurteile deutscher und europäischer Gerichte und Verwaltungsanweisungen, ein Hüh und Hott oder Tohuwabohu der europäischen Mehrwertsteuer-Richtlinie

 

Bereits 2015 ließ der Europäische Gerichtshof in der Gerichtssache „Sveda“ den Vorsteuerabzug einer litauischen UAB zu – dem Gegenstück einer deutschen GmbH. Und zwar den Vorsteuerabzug aus der Errichtung des Projektes „Freizeitweg zur baltischen Mythologie“. Der Weg wurde der Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung gestellt, mit Zuschüssen zu 90 % des Landwirtschaftministeriums finanziert. Aber, Sveda handelte mit Gewinnerzielungsabsicht unter dem Geschäftszweck „Bereitstellen von Unterkünften, Verpflegung und Getränken, Organisation von Messe-, Kongress- und Freitzeitveranstaltungen“. „ Aus den Feststellungen des Litauischen Verwaltungsgerichtes ginge eindeutig hervor“, so Tz 23 des Urteils des 22.10.2015 – C – 126/14, „dass durch objektive Anhaltspunkte die Investitionsgüter in der Absicht erworben wurden, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie auszuüben“.

 

Der BFH bestätigte den von der Finanzverwaltung versagten Vorsteuerabzug einer Hängebrücke, die in Rheinland-Pfalz im Jahr 2015 errichtet wurde mit Urteil des 20.10.2021 – XI R 10/21. In diesem Sachverhalt fasste die Ortsgemeinde in einem Grundsatzbeschluss den Bau der Brücke als Touristenattraktion, baute daneben einen kostenpflichtigen Parkplatz und ordnete die Hängebrücke, die ebenfalls kostenfrei von der Öffentlichkeit genutzt werden kann, den wirtschaftlichen Einnahmen des Parkplatzes zu. Zum Missfallen der Finanzverwaltung, denn der Umsatzsteuer-Sonderprüfer versagte kurzerhand den Vorsteuerabzug unter Verkennung der EuGH-Rechtsprechung. Was an diesem Fall erstaunlich ist, dass der BFH innerhalb von 8 Monaten zu einer Entscheidung gefunden hat. Denn das Finanzgericht Rheinland-Pfalz bestätigte den Vorsteuerabzug am 23.02.2021 mit Urteil 3 K 1311/19, der BFH bestätigte am 20.10.2021.

 

Ganz anders ist die Rechtslage nun bei einem Marktplatz, den eine Stadtverwaltung errichtete und mit Bühnenanlage, Zuschauertribüne, Ruhebänken und Geräte- und Abstellraum ausstattete, FG Rheinland Pfalz des 09.06.2016 6 K 1797/13 und BFH des 03.08.2017 – V R 62/16 BStBl 2021 II S. 109. Oder deutet sich hier ein Widerstreit zwischen zwei unterschiedlichen Senaten des Bundesfinanzhofes an? Nein, der Marktplatz wurde von einer Kurgemeinde errichtet und nun sei die Frage zu klären, ob der Kurbetrieb auf öffentlich-rechtlicher Basis oder auf privatrechtlicher Basis geführt wird. Gemessen an dem Urteil des Finanzgerichtes Schleswig-Holstein zu ähnlicher Thematik des 29.09.2021 – 4 K 118/18, ist es Kommunen nun wohl eher zu empfehlen, immer auf privatrechtlicher Grundlage zu arbeiten. Dann ist die Erzielung von Einnahmen nämlich immer umsatzsteuerbar. Handelt der Kurbetrieb hingegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, so ist zu prüfen, ob der Kurbetrieb im Wettbewerb zu anderen Betrieben stehen würde. Und nur dann wäre ein Vorsteuerabzug gegeben, siehe Tz 23 des BFH-Urteils des 03.08.2017.

 

Diesem Urteil lag nun der anteilige Vorsteuerbazug für die Errichtung des Marktplatzes zugrunde. Hier ging es dann vordergründig um die Frage, ob eine hoheitliche Verwendung eines Marktplatzes überhaupt zur Kürzung von Vorsteuern führen könne. Auf der Grundlage dieses Urteils hat die Finanzverwaltung nun mit BMF Schreiben des 18.01.2021 – III C 2 – S 7300/19/10002:002 die Umsatzsteuerrichtlinien angepasst. Der Abschnitt 15.19 regelt nun, dass ein Vorsteuerabzug im Rahmen eines Kurbetriebes für Spazier- und Wanderwege auch dann entfällt (sic!), wenn zwar eine öffentlich-rechtliche Widmung der Wege fehlt, aber die Einrichtung ausdrücklich oder konkludent der Öffentlichkeit zur Nutzung überlassen wird. Die Anmerkung des Autors Martin Kronawitter in der Zeitschrift Versorgungswirtschaft 02/2021, Seite 50, schildert, dass bereits eine Ausschilderung als Spazier- oder Wanderweg einem Vorsteuerabzug im Wege stehen würde.

 

Wie passt das mit den Eingangs geschilderten Urteilen des BFH zur Errichtung einer Hängebrücke des 20.10.2021 oder aber des EuGH Urteil Sveda vom 22.10.2015 zusammen? Auch in Schleswig Holstein scheint der Sachverhalt anders zu sein und die bayerische Staatsregierung titelt am 23.09.2021, „Trotz nachdrücklichem Einsatz Bayerns fand in der Finanzministerkonferenz heute nicht die nötige Unterstützung, dass Kurorte für öffentliche Investitionen nicht nachträglich mit Umsatzsteuernachzahlungen belastet werden sollen – das bedauere ich sehr“, stellte Finanzminister Albert Füracker heute nach der Finanzministerkonferenz (FMK) fest. Aufgrund neuer Rechtsprechung und der entsprechenden Umsetzung auf Bundesebene müssen Kurorte für Investitionen in öffentliche Parks und Plätze von 2018 bis Anfang 2021 rückwirkend Umsatzsteuer nachzahlen. Eine Verschonung der Gemeinden für die bereits vergangenen Jahre wurde entgegen der Stimme Bayerns abgelehnt.[1]

 

 

 

[1]https://www.bayern.de/fueracker-bedauert-ablehnende-haltung-der-finanzministerkonferenz-zu-sinnvoller-uebergangsregelung-fuer-kurorte-freistaat-wird-sich-weiter-fuer-das-nichtantasten-der-vergangenen-jahre-einsetzen/abgerufen am 08.06.2022

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